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   BayObLG, 15.08.2023 - 204 StRR 292/23   

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BayObLG, 15.08.2023 - 204 StRR 292/23 (https://dejure.org/2023,21201)
BayObLG, Entscheidung vom 15.08.2023 - 204 StRR 292/23 (https://dejure.org/2023,21201)
BayObLG, Entscheidung vom 15. August 2023 - 204 StRR 292/23 (https://dejure.org/2023,21201)
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Volltextveröffentlichungen (6)

  • Burhoff online

    Beleidigung, Schwuchtel, Wichser, Formalbeleidigung, Abwägung, Meinungsfreiheit

  • BAYERN | RECHT

    GG Art. 5 Abs. 1; StGB § 47 Abs. 1, § 185, § 193
    Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht bei Beleidigungen

  • rewis.io
  • strafrechtsiegen.de

    Beamtenbeleidigung als Wichser und Schwuchtel

  • rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)
  • rechtsportal.de

    Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Meinungsäußerung bei fehlender Ausnahmekonstellation; Pflicht zur Interessenabwägung bei fehlender Schmähkritik; Beleidigung eines Gerichtsvollziehers als Wichser; Beleidigung eines Gerichtsvollziehers als Schwuchtel; ...

Kurzfassungen/Presse (2)

  • Burhoff online Blog (Kurzinformation und Auszüge)

    Beleidigungen "Schwuchtel" und "Wichser" - Schmähkritik, Schmähung, Formalbeleidigung?

  • Burhoff online Blog (Kurzinformation und Auszüge)

    Beleidigung: OGV ist ein(e) "Schwuchtel/Wichser" - Angeklagte raucht beim StA-Plädoyer Cannabis

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Verfahrensgang

Papierfundstellen

  • StV 2024, 385 (Ls.)
 
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Wird zitiert von ...Neu Zitiert selbst (36)

  • BVerfG, 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19

    Klarstellung verfassungsrechtlicher Maßgaben für strafrechtliche Verurteilungen

    Auszug aus BayObLG, 15.08.2023 - 204 StRR 292/23
    Dass eine Aussage scharf, übersteigert, polemisch oder verletzend überzogen formuliert ist, entzieht sie nicht schon dem Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit (BVerfG, Beschlüsse vom 13.04.1994 - 1 BvR 23/94 -, BVerfGE 90, 241, juris Rn. 26; vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 108, jeweils m.w.N.; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17 -, NJW 2019, 2600, juris Rn. 16; vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 12 m.w.N.).

    Dazu gehört auch § 185 StGB (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 111; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17 -, NJW 2019, 2600, juris Rn. 17; vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 14 m.w.N.; vom 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19 -, NJW 2021, 298, juris Rn. 13).

    (1) Bei der Anwendung der Strafnorm des § 185 StGB verlangt Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG zunächst auf der Deutungsebene eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der in Frage stehenden Äußerung (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 - NJW 2020, 2622, juris Rn. 15).

    (2) Darauf aufbauend erfordert die Meinungsfreiheit auf der Ebene der Normanwendung im Normalfall eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 120; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom -19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, juris Rn. 15, und vom 12.05.2009 - 1 BvR 2272/04 -, juris Rn. 28).

    Eine solche Abwägung ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn die streitgegenständliche Äußerung sich als Schmähung oder Schmähkritik, als Formalbeleidigung oder als Angriff auf die Menschenwürde darstellt, was vom Tatrichter klar kenntlich zu machen und in einer auf die konkreten Umstände des Falles bezogenen Weise zu begründen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 23).

    In diesem Fall tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurück (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19.04.1990 - 1 BvR 40/86 -, BVerfGE 82, 43, juris Rn. 29; vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 122; vom 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96 -, BVerfGE 99, 185, juris Rn. 50; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17 -, NJW 2019, 2600, juris Rn. 18; vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 15 und 17 m.w.N.).

    (2.1) Eine Formalbeleidigung liegt vor, wenn die verwendete Beschimpfung das absolute Mindestmaß menschlichen Respekts verlässt und unabhängig von den Umständen grundsätzlich nicht mit der Meinungsfreiheit vereinbar sein kann (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 18 ff.; BayObLG, Beschluss vom 09.02.2023 - 203 StRR 497/22 -, juris Rn. 9).

    Sie ist daher in aller Regel unabhängig von den konkreten Umständen als Beleidigung zu werten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 21, 33; s. hierzu auch BeckOK StGB/Valerius, 57. Ed. 1.5.2023, StGB § 193 Rn. 36).

    Denn wenn man die bereits zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 - NJW 2020, 2622, juris Rn. 21, 33) zugrunde legt, dann dürfte selbst bei einer Formalbeleidigung eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Geschädigten und der Meinungsfreiheit des sich Äußernden nur dann entbehrlich sein, wenn die entsprechenden Schimpfwörter mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung verwendet werden.

    Eine Schmähung im verfassungsrechtlichen Sinn ist somit gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 19).

    Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehre erfordern regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 146, 153, 169; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17, NJW 2019, 2600, juris Rn. 18; vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 18).

    Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich das Verhalten des Angeklagten nicht nur gegen einzelne Persönlichkeitsrechte gerichtet hätte, sondern dem Betroffenen den seiner menschlichen Würde ausmachenden Kern der Persönlichkeit abgesprochen worden wäre (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.05.2022 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 22).

    Dazu sind grundsätzlich alle Begleitumstände und die gesamte konkrete Situation zu berücksichtigen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 26 f.; BayObLG, Beschluss vom 9.02.2023 - 203 StRR 497/22 -, juris Rn. 10).

    Wieweit eine Äußerung durch die Meinungsfreiheit gerechtfertigt sein kann, entscheidet sich anschließend nach Maßgabe einer grundrechtlich angeleiteten Abwägung zwischen dem berechtigten sozialen Geltungsanspruch der betroffenen Person und der Meinungsfreiheit des Angeklagten, die an die wertungsoffenen Tatbestandsmerkmale und Strafbarkeitsvoraussetzungen des Strafgesetzbuchs, insbesondere die Begriffe der "Beleidigung" und der "Wahrnehmung berechtigter Interessen", anknüpft (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 26 m.w.N.).

    Der Tatrichter hat sich dabei umfassend mit den konkreten Umständen des Falls und der Situation, in der die Äußerung gefallen ist, auseinanderzusetzen (BVerfG Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 26; BayObLG, Beschluss vom 09.02.2023 - 203 StRR 497/22 -, juris Rn. 10).

    Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen können insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten gehören (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 27).

    Maßgeblich ist, dass die konkrete Situation der Äußerung erfasst und unter Berücksichtigung der auf beiden Seiten betroffenen Grundrechte hinreichend gewürdigt wird (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 35, und vom 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20 -, juris Rn. 38).

    (3.1) Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 29 m.w.N., und vom 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20 -, juris Rn. 30 f.).

    In die Abwägung ist daher einzustellen, ob die Privatsphäre der Betroffenen oder ihr öffentliches Wirken mit seinen - unter Umständen weitreichenden - gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität der Betroffenen von einer Äußerung ausgehen können (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 30, und vom 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20 -, juris Rn. 32; s.a. BayObLG, Beschluss vom 09.02.2023 - 203 StRR 497/22 -, juris Rn. 13).

    Gegenüber einer auf die Person abzielenden Verächtlichmachung setzt die Verfassung allen Personen gegenüber verfassungsrechtliche Grenzen und nimmt hiervon auch Amtsträger nicht aus (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 32).

    Demgegenüber ist die beeinträchtigende Wirkung einer Äußerung beispielsweise gesteigert, wenn sie in wiederholender und anprangernder Weise, etwa unter Nutzung von Bildnissen der Betroffenen, oder besonders sichtbar in einem der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglichen Medium, etwa dem Internet, getätigt wird (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 34, und vom 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20 -, juris Rn. 37).

    Allerdings bedeutet das Anliegen der Machtkritik nicht a priori einen Vorrang der Meinungsäußerungsfreiheit, sondern stellt (nur) einen Gesichtspunkt im Rahmen der gebotenen Abwägung dar (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris 32).

    Insoweit konnte vom Angeklagten ein höheres Maß an Bedacht und Zurückhaltung erwartet werden, als es bei einer spontanen Äußerung nach der zunächst erfolgten Ablehnung der Durchführung des Termins mangels Abnahme der Kopfbedeckung der Fall gewesen wäre (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 21, 33).

  • BVerfG, 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91

    "Soldaten sind Mörder"

    Auszug aus BayObLG, 15.08.2023 - 204 StRR 292/23
    bb) Auch wenn die Bezeichnung des Geschädigten als "Schwuchtel" und "Wichser" verletzend formulierte Aussagen sind, werden sie grundsätzlich vom Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, das jedem das Recht gibt, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, umfasst (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 108; so auch zur Schmähkritik BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.03.2021 - 2 BvR 194/20 -, NStZ 2021, 439, juris Rn. 47).

    Dass eine Aussage scharf, übersteigert, polemisch oder verletzend überzogen formuliert ist, entzieht sie nicht schon dem Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit (BVerfG, Beschlüsse vom 13.04.1994 - 1 BvR 23/94 -, BVerfGE 90, 241, juris Rn. 26; vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 108, jeweils m.w.N.; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17 -, NJW 2019, 2600, juris Rn. 16; vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 12 m.w.N.).

    Dazu gehört auch § 185 StGB (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 111; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17 -, NJW 2019, 2600, juris Rn. 17; vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 14 m.w.N.; vom 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19 -, NJW 2021, 298, juris Rn. 13).

    Diese Vorschrift ist aber wiederum im Licht des eingeschränkten Grundrechts auszulegen, damit der wertsetzenden Bedeutung der Grundrechte auch auf der Ebene der Auslegung und Anwendung des Strafrechts Rechnung getragen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 117; st. Rspr.).

    Ein Verstoß gegen das Grundrecht liegt schon dann vor, wenn die Gerichte bei der rechtlichen Würdigung einer Äußerung dieser eine Bedeutung beilegen, die ihr objektiv nicht zukommt, oder wenn sie sich unter mehreren möglichen Deutungen für die zur Bestrafung führende entscheiden, ohne die anderen mit überzeugenden und schlüssigen Gründen auszuschließen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19.04.1990 - 1 BvR 40/86 -, BVerfGE 82, 43, juris Rn. 28; vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 126).

    Hierbei ist von Bedeutung, ob von dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen oder im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Gebrauch gemacht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 123).

    (2) Darauf aufbauend erfordert die Meinungsfreiheit auf der Ebene der Normanwendung im Normalfall eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 120; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom -19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, juris Rn. 15, und vom 12.05.2009 - 1 BvR 2272/04 -, juris Rn. 28).

    In diesem Fall tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurück (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19.04.1990 - 1 BvR 40/86 -, BVerfGE 82, 43, juris Rn. 29; vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 122; vom 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96 -, BVerfGE 99, 185, juris Rn. 50; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17 -, NJW 2019, 2600, juris Rn. 18; vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 15 und 17 m.w.N.).

    (2.2.1) Eine Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 122 und 191; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2012 - 1 BvR 2979/10 -, NJW 2012, 3712, juris Rn. 30).

    Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehre erfordern regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 146, 153, 169; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17, NJW 2019, 2600, juris Rn. 18; vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 18).

  • BVerfG, 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20

    Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen fachgerichtliche Versagung der Auskunft

    Auszug aus BayObLG, 15.08.2023 - 204 StRR 292/23
    Maßgeblich ist, dass die konkrete Situation der Äußerung erfasst und unter Berücksichtigung der auf beiden Seiten betroffenen Grundrechte hinreichend gewürdigt wird (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 35, und vom 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20 -, juris Rn. 38).

    (3.1) Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 29 m.w.N., und vom 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20 -, juris Rn. 30 f.).

    In die Abwägung ist daher einzustellen, ob die Privatsphäre der Betroffenen oder ihr öffentliches Wirken mit seinen - unter Umständen weitreichenden - gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität der Betroffenen von einer Äußerung ausgehen können (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 30, und vom 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20 -, juris Rn. 32; s.a. BayObLG, Beschluss vom 09.02.2023 - 203 StRR 497/22 -, juris Rn. 13).

    Der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit impliziert - in den Grenzen zumutbarer Selbstbeherrschung - die rechtliche Anerkennung menschlicher Subjektivität und damit auch von Emotionalität und Erregbarkeit (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20 -, juris Rn. 36).

    Demgegenüber ist die beeinträchtigende Wirkung einer Äußerung beispielsweise gesteigert, wenn sie in wiederholender und anprangernder Weise, etwa unter Nutzung von Bildnissen der Betroffenen, oder besonders sichtbar in einem der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglichen Medium, etwa dem Internet, getätigt wird (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 34, und vom 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20 -, juris Rn. 37).

  • BayObLG, 09.02.2023 - 203 StRR 497/22

    Unwirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung bei ungenügenden Feststellungen zum

    Auszug aus BayObLG, 15.08.2023 - 204 StRR 292/23
    (2.1) Eine Formalbeleidigung liegt vor, wenn die verwendete Beschimpfung das absolute Mindestmaß menschlichen Respekts verlässt und unabhängig von den Umständen grundsätzlich nicht mit der Meinungsfreiheit vereinbar sein kann (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 18 ff.; BayObLG, Beschluss vom 09.02.2023 - 203 StRR 497/22 -, juris Rn. 9).

    (2.1.2) Nach einer Entscheidung des 3. Strafsenats des Bayerischen Obersten Landesgerichts verletzt die Bezeichnung einer Person als "schwul" weder die Menschenwürde noch stellt sie ein derart grobes, tabuisiertes Schimpfwort dar, dass sie als Formalbeleidigung gewertet werden könnte (Beschluss vom 09.02.2023 - 203 StRR 497/22 -, juris Rn. 12; so auch LG Tübingen, Urteil vom 18.07.2012 - 24 Ns 13 Js 10523/11 -, NStZ-RR 2013, 10, juris Rn. 52 zur Bezeichnung als "homosexuell").

    Dazu sind grundsätzlich alle Begleitumstände und die gesamte konkrete Situation zu berücksichtigen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 26 f.; BayObLG, Beschluss vom 9.02.2023 - 203 StRR 497/22 -, juris Rn. 10).

    Der Tatrichter hat sich dabei umfassend mit den konkreten Umständen des Falls und der Situation, in der die Äußerung gefallen ist, auseinanderzusetzen (BVerfG Kammerbeschluss vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 26; BayObLG, Beschluss vom 09.02.2023 - 203 StRR 497/22 -, juris Rn. 10).

    In die Abwägung ist daher einzustellen, ob die Privatsphäre der Betroffenen oder ihr öffentliches Wirken mit seinen - unter Umständen weitreichenden - gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität der Betroffenen von einer Äußerung ausgehen können (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 30, und vom 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20 -, juris Rn. 32; s.a. BayObLG, Beschluss vom 09.02.2023 - 203 StRR 497/22 -, juris Rn. 13).

  • BVerfG, 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17

    Verletzung der Meinungsfreiheit durch fälschliche Einordnung einer Äußerung als

    Auszug aus BayObLG, 15.08.2023 - 204 StRR 292/23
    Dass eine Aussage scharf, übersteigert, polemisch oder verletzend überzogen formuliert ist, entzieht sie nicht schon dem Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit (BVerfG, Beschlüsse vom 13.04.1994 - 1 BvR 23/94 -, BVerfGE 90, 241, juris Rn. 26; vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 108, jeweils m.w.N.; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17 -, NJW 2019, 2600, juris Rn. 16; vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 12 m.w.N.).

    Dazu gehört auch § 185 StGB (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 111; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17 -, NJW 2019, 2600, juris Rn. 17; vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 14 m.w.N.; vom 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19 -, NJW 2021, 298, juris Rn. 13).

    In diesem Fall tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurück (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19.04.1990 - 1 BvR 40/86 -, BVerfGE 82, 43, juris Rn. 29; vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 122; vom 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96 -, BVerfGE 99, 185, juris Rn. 50; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17 -, NJW 2019, 2600, juris Rn. 18; vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 15 und 17 m.w.N.).

    Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehre erfordern regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 146, 153, 169; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17, NJW 2019, 2600, juris Rn. 18; vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 18).

    Aus der Verknüpfung von Diensthandlung und deren Beanstandung wird klar ersichtlich, dass die dienstliche Tätigkeit des Gerichtsvollziehers keineswegs nur äußerlich zum Anlass genommen worden wäre, um über ihn "herzuziehen" oder ihn "niederzumachen" (vgl. hierzu auch BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17, NJW 2019, 2600, juris Rn. 19; vom 09.02.2022 - 1 BvR 2588/20 -, NJW 2022, 1523, juris Rn. 22; BayObLG, Beschluss vom 04.07.2022 - 202 StRR 61/22 -, NJW 2022, 3236, juris Rn. 10).

  • BayObLG, 04.07.2022 - 202 StRR 61/22

    Abgrenzung zwischen Beleidigung und übler Nachrede bei überzogener Kritik an

    Auszug aus BayObLG, 15.08.2023 - 204 StRR 292/23
    Aus der Verknüpfung von Diensthandlung und deren Beanstandung wird klar ersichtlich, dass die dienstliche Tätigkeit des Gerichtsvollziehers keineswegs nur äußerlich zum Anlass genommen worden wäre, um über ihn "herzuziehen" oder ihn "niederzumachen" (vgl. hierzu auch BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17, NJW 2019, 2600, juris Rn. 19; vom 09.02.2022 - 1 BvR 2588/20 -, NJW 2022, 1523, juris Rn. 22; BayObLG, Beschluss vom 04.07.2022 - 202 StRR 61/22 -, NJW 2022, 3236, juris Rn. 10).

    Da das Berufungsgericht aber die erforderlichen Feststellungen zum Tatsachverhalt vollständig getroffen hat, kann der Senat diese Abwägung selbst vornehmen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 04.07.2022 - 202 StRR 61/22 -, NJW 2022, 3236, juris Rn. 13).

    Dabei ist in die Überlegungen wertend einzustellen, dass sich die Äußerungen des Angeklagten zwar auch gegen die Person des mit Schimpfwörtern bedachten Betroffenen richteten, aber gleichwohl ihren Bezug allein zu dessen dienstlichem Verhalten hatten (BayObLG, Beschluss vom 04.07.2022 - 202 StRR 61/22 -, NJW 2022, 3236, juris Rn. 14).

    Andererseits sind in die erforderliche Abwägung erhebliche Umstände einzubeziehen, die zu Gunsten des Rechts der persönlichen Ehre des von den Äußerungen Betroffenen sprechen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 04.07.2022 - 202 StRR 61/22 -, NJW 2022, 3236, juris Rn. 15).

  • BVerfG, 19.04.1990 - 1 BvR 40/86

    Meinungsfreiheit und Ehrenschutz - Franz Josef Strauß

    Auszug aus BayObLG, 15.08.2023 - 204 StRR 292/23
    Der Äußerung darf keine Deutung gegeben werden, die sich aus ihrem Wortlaut nicht oder nicht mit hinreichender Klarheit ergibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.04.1990 - 1 BvR 40/86 -, BVerfGE 82, 43 = NJW 1990, 1980, juris Rn. 28).

    Ein Verstoß gegen das Grundrecht liegt schon dann vor, wenn die Gerichte bei der rechtlichen Würdigung einer Äußerung dieser eine Bedeutung beilegen, die ihr objektiv nicht zukommt, oder wenn sie sich unter mehreren möglichen Deutungen für die zur Bestrafung führende entscheiden, ohne die anderen mit überzeugenden und schlüssigen Gründen auszuschließen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19.04.1990 - 1 BvR 40/86 -, BVerfGE 82, 43, juris Rn. 28; vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 126).

    Es kommt somit auch darauf an sicherzustellen, dass der Sinn einer Äußerung nicht in einer Weise ermittelt wird, die der Bedeutung der Meinungsäußerung für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen und seine Teilnahme am politischen Leben wie auch für die freie Kommunikation in der Gesellschaft insgesamt widerspricht (BVerfG, Beschluss vom 19.04.1990 - 1 BvR 40/86 -, BVerfGE 82, 43, juris Rn. 30).

    In diesem Fall tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurück (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19.04.1990 - 1 BvR 40/86 -, BVerfGE 82, 43, juris Rn. 29; vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 122; vom 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96 -, BVerfGE 99, 185, juris Rn. 50; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17 -, NJW 2019, 2600, juris Rn. 18; vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 15 und 17 m.w.N.).

  • BVerfG, 13.04.1994 - 1 BvR 23/94

    Auschwitzlüge

    Auszug aus BayObLG, 15.08.2023 - 204 StRR 292/23
    Auf diese persönliche Stellungnahme bezieht sich der Grundrechtsschutz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.04.1994 - 1 BvR 23/94 -, BVerfGE 90, 241, juris Rn. 26 m.w.N.).

    (2) Werturteile genießen grundsätzlich den Schutz der Meinungsfreiheit, ohne dass es dabei auf deren Begründetheit, Werthaltigkeit, Richtigkeit oder Vernünftigkeit ankäme (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.04.1994 - 1 BvR 23/94 -, BVerfGE 90, 241, juris Rn. 26 m.w.N.).

    Dass eine Aussage scharf, übersteigert, polemisch oder verletzend überzogen formuliert ist, entzieht sie nicht schon dem Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit (BVerfG, Beschlüsse vom 13.04.1994 - 1 BvR 23/94 -, BVerfGE 90, 241, juris Rn. 26; vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 108, jeweils m.w.N.; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17 -, NJW 2019, 2600, juris Rn. 16; vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 12 m.w.N.).

  • BVerfG, 09.02.2022 - 1 BvR 2588/20

    Schutz der Meinungsfreiheit und Strafbarkeit wegen Beleidigung

    Auszug aus BayObLG, 15.08.2023 - 204 StRR 292/23
    Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigt selbst eine überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik noch nicht die Einschätzung als Schmähung (BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.02.2022 - 1 BvR 2588/20 -, NJW 2022, 1523, juris Rn. 22).

    Aus der Verknüpfung von Diensthandlung und deren Beanstandung wird klar ersichtlich, dass die dienstliche Tätigkeit des Gerichtsvollziehers keineswegs nur äußerlich zum Anlass genommen worden wäre, um über ihn "herzuziehen" oder ihn "niederzumachen" (vgl. hierzu auch BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17, NJW 2019, 2600, juris Rn. 19; vom 09.02.2022 - 1 BvR 2588/20 -, NJW 2022, 1523, juris Rn. 22; BayObLG, Beschluss vom 04.07.2022 - 202 StRR 61/22 -, NJW 2022, 3236, juris Rn. 10).

  • OLG Köln, 18.02.2020 - 1 RVs 188/19

    Strafrecht; Notwehr; Retorsion

    Auszug aus BayObLG, 15.08.2023 - 204 StRR 292/23
    Um eine solche handelt es sich bei der Bezeichnung "Schwuchtel", die demgemäß als Formalbeleidigung gewertet wird (vgl. OLG Köln, Urteil vom 18.02.2020 - III-1 RVs 188/19 -, juris Rn. 63: dumme Schwuchtel; LG Tübingen, Urteil vom 18.07.2012 - 24 Ns 13 Js 10523/11 -, NStZ-RR 2013, 10, juris Rn. 55; LG Köln, Urteil vom 05.04.2019 - 153 Ns 100/18 -, StV 2020, 183, juris Rn. 264; Fischer, StGB, 70. Aufl. § 185 Rn. 11c; MüKoStGB/Regge/Pegel, 4. Aufl. 2021, StGB § 185 Rn. 15), so dass es grundsätzlich einer Abwägung der widerstreitenden Interessen ausnahmsweise nicht bedarf (vgl. AG Frankfurt, Urteil vom 15.01.2021 - 907 Cs 7680 Js 229740/19 -, juris Rn. 9 ff.; zustimmend Lackner/ Kühl/Heger/Heger, 30. Aufl. 2023, StGB § 185 Rn. 5a; AG Tiergarten, Beschluss vom 19.11.2013 - (279 Ds) 222 Js 1201/13 (101/13) -, ZUM 2015, 904, juris Rn. 4).

    (2.1.3) Ebenso um eine Formalbeleidigung soll es sich bei der Beschimpfung einer Person mit der Bezeichnung "Wichser" verhalten (so OLG Bamberg, Beschluss vom 25.11.2013 - 3 Ss 114/13 -, juris Rn. 6 zur Bezeichnung eines Polizeibeamten als "Wichser"; OLG Köln, Urteil vom 18.02.2020 - III-1 RVs 188/19 -, juris Rn. 56 mit 46; LG Köln, Urteil vom 05.04.2019 - 153 Ns 100/18 -, StV 2020, 183, juris Rn. 266; AG Weiden, Urteil vom 19.10.2012 - 2 Ds 24 Js 4348/12, BeckRS 2012, 215312, Rn. 4 f.; s.a. OLG Oldenburg, Beschluss vom 27.04.2011 - 1 Ss 66/11 -, NStZ-RR 2011, 338, juris Rn. 5 und 8: "Scheißbulle und Wichser"), deren einziger Zweck in der Versagung des sozialen Geltungsanspruchs des Geschädigten liege (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 17.04.2019 - 12 O 168/18 -, juris Rn. 39).

  • LG Köln, 05.04.2019 - 153 Ns 100/18

    Rechtswidrige Polizeigewalt, CSD 2016 Köln, Verwerfung der Berufung der

  • LG Tübingen, 18.07.2012 - 24 Ns 13 Js 10523/11

    Teilweise Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung; Strafzumessung bei

  • BGH, 24.07.1985 - 3 StR 127/85

    Strafschärfende Verwertung - Verwertung des Nachtatverhaltens bei der

  • BGH, 07.11.1986 - 2 StR 563/86

    Bestreiten - Tat - Strafschärfung

  • OLG Bamberg, 25.11.2013 - 3 Ss 114/13

    Urteilsfeststellungen bei der Beleidigung eines Polizeibeamten

  • KG, 28.02.2001 - 1 Ss 22/01
  • OLG Köln, 26.04.2022 - 15 W 15/22

    Vorläufige Unterlassung von Äußerungen über eine Person in einer Videosequenz;

  • BVerfG, 12.05.2009 - 1 BvR 2272/04

    Meinungsfreiheit ("durchgeknallter Staatsanwalt"; Beleidigung; Schmähung; Kontext

  • BVerfG, 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96

    Scientology, Helnwein, Anspruch auf Unterlassung rufschädigender Äußerungen

  • BVerfG, 17.09.2012 - 1 BvR 2979/10

    Die Bezeichnung anderer als "rechtsradikal" ist ein Werturteil und fällt unter

  • OLG Oldenburg, 27.04.2011 - 1 Ss 66/11

    Das Heraustreten von Seitenscheiben eines Polizeifahrzeugs ist eine

  • BVerfG, 19.08.2020 - 1 BvR 2249/19

    Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen strafrechtliche Verurteilung wegen

  • AG Frankfurt/Main, 15.01.2021 - 907 Cs 7680 Js 229740/19

    "Pussy" und "Schwuchtel" sind Beleidigungen

  • LG Düsseldorf, 17.04.2019 - 12 O 168/18

    Zahlunganspruch eines Geschädigten auf Schmerzensgeld und Erstattung von

  • BayObLG, 15.02.2002 - 1St RR 173/01

    Ehrverletzung bei politischen Auseinandersetzung - gebotene Abwägung bei

  • BGH, 08.05.1996 - 3 StR 133/96

    Kurze Freiheitssstrafe - Voraussetzungen

  • AG Berlin-Tiergarten, 19.11.2013 - 279 Ds 101/13

    Stress ohne Grund: Gericht lehnt Anklage gegen Bushido ab

  • BGH, 16.09.1992 - 3 StR 413/92

    Vergleichsaufnahmen des Beschuldigten mit der Tatortüberwachungskamera

  • OLG Frankfurt, 27.04.2005 - 2 Ss 78/05

    Strafzumessung: Begründung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe wegen

  • LSG Nordrhein-Westfalen, 15.11.2004 - L 10 VG 18/04

    Anspruch auf Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von

  • OLG Nürnberg, 04.10.2007 - 2 St OLG Ss 160/07

    Wirksamkeit der Beschränkung einer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch bei

  • BayObLG, 11.01.1996 - 3St RR 105/95
  • BVerfG, 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19

    Schutz der Meinungsfreiheit und Strafbarkeit wegen Beleidigung

  • BVerfG, 22.06.1982 - 1 BvR 1376/79

    Wahlkampf/'CSU : NPD Europas'

  • BVerfG, 17.03.2021 - 2 BvR 194/20

    Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde eines ehemals Inhaftierten gegen die Anhaltung

  • BVerfG, 16.10.1998 - 1 BvR 590/96

    Verletzung der Meinungsfreiheit durch Bewertung einer Äußerung als objektiv

  • LG Ellwangen/Jagst, 24.01.2024 - 1 O 73/22

    Zur Persönlichkeitsrechtsverletzung einer der sog. Querdenken-Bewegung

    Bei der Bezeichnung des Klägers als Wichser (in der Schreibweise mit x und xx) auf Twitter handelt es sich um eine Meinungsäußerung in Form einer sog. Formalbeleidigung, bei der ausnahmsweise eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungsfreiheit des Beklagten entbehrlich ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15.08.2023 - 204 StRR 292/23, BeckRS 2023, 21584, Rn. 33 ff. - Wichser).
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